Mittwoch, 3. August 2016

Saphia Azzeddine - Mein Vater ist Putzfrau

Paul, genannt Polo, wird nichts geschenkt im Leben. In der Pariser Cité gelingt das Überleben mehr schlecht als recht, die Mutter liegt krankheitsbedingt nur im Bett, die Schwester träumt davon eine Misswahl zu gewinnen und sein Vater arbeitet nachts als Putzfrau. Paul hilft ihm dabei und erwirbt so ein unheimliches Wissen über die Welt, denn sie kommen ebenso in Bibliotheken wie Großraumbüros und Diskotheken der besseren Gesellschaft. Auch in der Schule ist er – zu klein, zu hässlich, zu seltsam – ein Außenseiter, nur die von ihm angehimmelte Priscilla schenkt ihm Aufmerksamkeit. Langsam wird er erwachsen und stellt sich den wesentlichen Fragen des Lebens: will er Muslim werden oder doch lieber Jude? Ist sein Penis zu klein? Wie kann er aus dem, was ihm gegeben ist, etwas machen?


Saphia Azzeddine gelingt der Spagat zwischen unterhaltsam und doch den Ernst der Lage erfassen und vermitteln. Zwar bleibt ihr Ton durch eine gewisse Naivität des zu Beginn noch jungen Erzählers leichtfüßig und unterhaltsam, aber seine Not in prekären Verhältnissen, umgeben von der bekannten Gewalt der Pariser Vorstädte und ausgegrenzt von der französischen Mittelschicht, wird deutlich und auch von der Erzählweise nicht komplett überlagert. Man gewinnt Einblick in das Innenleben eines einsamen, seine Umwelt aufmerksam beobachtenden Jungen, dessen Chancen immer überschaubar bleiben werden – was ihn aber nicht daran hindert, glücklich zu sein. 
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