Samstag, 31. Januar 2015

Christian Ankowitsch - Warum Einstein niemals Socken trug

„Warum Einstein niemals Socken trug“ ist der humorvolle Titel eines Sachbuchs, das sich den Fragen widmet, wie wir eigentlich denken, wie dieses Denken durch unseren Körper und die Umwelt beeinflusst wird und wie wir selbst unsere Wahrnehmung und Denkprozesse beeinflussen können. Christian Ankowitsch erklärt, wie sich das Verhältnis von Geist und Körper, das seit Menschengedenken große Aufmerksamkeit erfährt und immer wieder neu bestimmt wird, aus aktueller Forschungssicht beurteilt wird. Im 2. Teil nähert er sich unseren Emotionen und liefert aufschlussreiche Erkenntnisse, wie wir selbst uns zu mehr Wohlbefinden führen können. Im folgenden Kapitel betrachtet er das Lernen und vor allem den Einfluss der Sinne hierbei näher, bevor er abschließend zur Kreativität kommt. Abschließend wird noch die Frage nach Einsteins Socken geklärt und kurz und kompakt die wichtigsten Ergebnisse nochmals zusammengefasst.


Das Buch wartet mit zahlreichen lebensnahen und nachvollziehbaren Fakten auf, die man auch sehr konkret umsetzen kann, um so eigene Denkwege zu beeinflussen. Besonders gefallen hat mir der unterhaltsame Plauderton, in dem das Buch verfasst wurde und der selbst längere theoretische Passagen geradezu dahinfliegen lies. Zahlreiche Verweise im Anhang liefern Möglichkeiten sich mit der Thematik weiter zu beschäftigen. Vieles war mir bereits bekannt, was aber den Informations- und Unterhaltungswert für mich keineswegs geschmälert hat. Sich mit dem eigenen Denken auseinanderzusetzen ist ja immer eine lohnende Sache und hier kann man dies auf sehr angenehme Weise.

James M. Cain - The Postman Always Rings Twice

Frank Chambers erzählt, wie er die junge Cora kennen lernte. Sofort war er von der Bedienung angezogen, die jedoch mit dem deutlich älteren Nick Papadakis, dem Besitzer des Diners verheiratet ist. Nichtsdestotrotz beginnen beide eine Affäre und planen den Ehemann im heimischen Badezimmer zu ermorden. Der Versuch schlägt fehl und Nick erholt sich von den Verletzungen. Ein zweiter Mordversuch durch einen vermeintlichen Autounfall ist jedoch erfolgreich, aber ein cleverer Anwalt spielt Cora und Frank gegeneinander aus, was sich jedoch letztlich als Glücksfall herausstellt und beide von der Schuld freispricht. Jetzt könnten sie eigentlich ein glückliches gemeinsames Leben beginnen, aber das Schicksal hat andere Pläne.


Ein kurzer Krimiklassiker, der mit zahlreichen Wendungen und unerwarteten Ereignissen aufwarten kann, ohne jedoch unglaubwürdig oder unlogisch zu werden. Die Entwicklung der beiden Protagonisten ist interessant, vor allem ihre Bereitschaft zu Morden und die zu beginn noch vorhandenen moralischen Bedenken, die im Laufe der Handlung mehr und mehr verschwinden.

Mittwoch, 28. Januar 2015

Maj Sjöwall - Martin Beck: The Man who went up in Smoke

Eigentlich ist Martin Beck auf dem Weg in den Urlaub, doch das Verschwinden eines Journalisten befördert ihn zurück. Alf Matsson ist in Ungarn spurlos verschwunden, im Jahre 1966 zu Zeiten des Kalten Krieges ein Problem, denn diplomatische Störungen sollen auf alle Fälle vermieden werden. Beck fliegt nach Budapest, um nach Spuren zu suchen. Vieles erscheint ihm seltsam, eine junge Frau, die möglicherweise mit ihm bekannt war, die örtliche Polizei, die ihn beschattet und die anderen Personen, die ihn verfolgen und versuchen ihn zu ermorden. Erst zurück in Schweden gelingt ihm der Durchbruch.


Ein klassischer Krimi in Zeiten des Ost-West-Konflikts. Die Story spannend und verzwickt mit zahlreichen Seitensträngen. Die Lösung glaubwürdig und überzeugend ohne Schnickschnack, sondern mit Cleverness gefunden.

Andreas Götz - Stirb leise, mein Engel

Drei Mädchen sterben unabhängig voneinander durch einen Freitod. Doch war das wirklich ein freiwilliges aus dem Leben scheiden? Sascha hat Zweifel daran, denn mit Natalie hatte er sich vor ihrem Tod angefreundet und er vermutet, dass der ominöse neue Freund Tristan eine Rolle spielen könnte. Mit dem Nachbarsmädel Joy beginnt er auf eigene Faust zu recherchieren – sehr zu Ärger seiner Mutter, der leitenden Kommissarin in diesem Fall. Doch auch der Mörder meldet sich zu Wort und der Leser ist den Figuren einen Schritt voraus, ohne jedoch zu wissen, wer hier die treibende Kraft ist.

Ein fesselnder Thriller, der ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel treibt. Die Figuren sind glaubwürdig und für Jugendliche überzeugend, gerade auch ihre emotionalen Lagen, die heftigen Schwankungen unterliegen, sind sehr gelungen nachgezeichnet. Der fall selbst ist ebenfalls überzeugend und nachvollziehbar gelöst, wenn auch das Ende für meinen Geschmack etwas zu sehr gezogen wird, da hätte man früher einen passenden Abschluss finden können.


Fazit: gelungener Jugendthriller.

Sonntag, 25. Januar 2015

Maj Sjöwall - Martin Beck: Murder at the Savoy

Das hochklassische Savoy Hotel in Malmö ist der Schauplatz eines heimtückischen Mordes: Der Tycoon Viktor Palmgren wird mit einem einzigen Schuss niedergestreckt und der Schütze flüchtet unerkannt durch ein Fenster. Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Verstrickungen Palmgrens ermittelt nicht die örtliche Polizei, sondern Martin Beck wird aus Stockholm in die Provinz beordert, um den Fall diskret zu klären. Schnell stellt sich heraus, dass unzählige Menschen im Umfeld des Unternehmers gute Motive gehabt hätten, diesen zu ermorden. Die Zeugenaussagen sind diffus und wenig brauchbar. Der Druck auf die Ermittler wächst zunehmend.

Die Martin Beck Serie gilt als Vorläufer der heute so populären Skandinavienkrimis und  ist trotz der inzwischen über 40 Jahre keineswegs veraltet. Maj Sjöwall und Per Wahlöö fangen die unverwechselbare schwedische Stimmung ein – wenn auch dieses Mal in heißem Sommer. Der Fall ist knifflig, die üblichen Verdächtigen tauchen auf und ab und Martin Beck gelingt einmal mehr eine saubere Lösung.


Solide Krimiunterhaltung mit sympathischen Figuren, einem kniffligen Fall und glaubwürdiger Lösung.

Boris Pasternak - Dorktor Schiwago

Jurij Schiwago wächst nach dem Tod des Vaters als Weise  auf. obwohl ihn die Dichtkunst interessiert, entschließt er sich doch für das Studium der Medizin. Tonja, die Tochter seiner Pflegeeltern ist seine stete Begleiterin und wird seine Frau. Doch die Zeiten sind hart und bald schon wird Jurij in den Krieg geschickt. Dort lernt er die Krankenschwester Lara kennen, der er bereits früher einmal begegnete. Nach der Rückkehr in die Heimat kreuzen sich ihre Wege erneut, dieses Mal auf dem Land, wohin sich immer mehr Menschen vor der Armut in Moskau flüchten. Der Bürgerkrieg verhindert eine Entscheidung für eine der Frauen – Jurij wird entführt und kehrt erst Jahre später zurück. Tonja konnte mit den Kindern nach Frankreich flüchten, Lara und er finden endlich zueinander. Doch das Glück ist ihnen nicht vergönnt und Schiwago findet keinen Frieden mehr.

Ein Meisterwerk der russischen Literatur. Wirklich begeistern konnte mich die poetische Sprache, die ich keineswegs in dieser Form erwartet hatte, hier hatte der Übersetzer ein sehr glückliches Händchen. Pasternak spiegelt die Lage Russlands an seinem Schiwago, die chaotischen, undurchsichtigen Jahre im Taumel, die auch der Arzt hin- und hergerissen, jedoch immer unzufrieden und an der Grenze der seelischen und körperlichen Fähigkeiten verbringt. Wie auch andere russische Literaten und wie bei dieser Länge nicht anders zu erwarten, hat das Buch bisweilen Längen, vor allem der Schluss, nach dem Abschied von Lara zieht sich dann doch arg – für mich war die Geschichte hier bereits erzählt.


Was ich mir von der Fischerausgabe noch gewünscht hätte, wären Annotationen gewesen und vielleicht eine Karte, um die Örtlichkeiten etwas besser einschätzen zu können. Für die Handlung ist dies zwar nicht weiter relevant zum Verständnis, wäre aber hilfreicher gewesen als die Daten zu Pasternaks Leben.

Dror Mishani - The Missing File

Der 16-jährige Ofer verschwindet in Tel Aviv spurlos. Die Mutter erstattet Anzeige, doch Kommissar Avraham sieht keinen wirklichen Handlungsbedarf. Jugendliche tauchen wieder auf und nach Aussage der Eltern war der Junge eher zurückhalten, strebsam, unauffällig, mit wem sollte er sich angelegt haben. Auch die Befragung der Nachbarn bestätigt dies, so kommen keine wirklichen Ermittlungen in Gang. Erst als Ofers Rucksack gefunden wird und der ehemalige Nachhilfelehrer sich zunehmend verdächtig verhält, beginnt die Polizei die richtigen Fragen zu stellen. Was verheimlichen Eltern und warum informieren sie die Polizei nicht über vermeintliche Briefe Ofers und den Anruf eines potentiellen Entführers?


Ein Krimi mit einer Reihe ungewöhnlicher Figuren. Der Ermittler wurde mir nicht richtig sympathisch, vor allem, weil er so passiv blieb, als wenn ihn der Fall gar nicht interessieren würde. Positiv jedoch, dass er nicht die üblichen Klischees der einsamen, drogen- bzw. alkoholabhängigen Ermittler bedient. Die Eltern, weil sie zwischen apathisch und desinteressiert waren, was sich jedoch im Laufe der Handlung nach und nach erklärt. Der fall bietet zunächst wenig Greifbares und wartet dann mit einer völlig unerwarteten, aber schlüssigen Erklärung auf, die absolut überraschen kann. 

Samstag, 24. Januar 2015

Svenja Leiber - Das letzte Land

Die deutsche Provinz, Beginn des 20. Jahrhunderts. Ruven Preuk hat es nicht leicht, er wächst als Außenseiter auf, auch sein Vater kann wenig mit ihm anfangen, hat er doch so gar keine tauglichen Hände auf dem Hof und ist ganz der Musik zugewandt. Doch er unterstützt ihn und nachdem auf dem Dorf kein geeigneter Lehrer mehr ist, wird Ruven in die Stadt zu Juden Goldbaum geschickt. Dort entdeckt er ein ganz anderes Leben, doch die dunkle Zeit wirft bereits ihre schwarzen Schatten voraus. Der Krieg kommt und Ruvens Hoffnung auf eine Musikerkarriere schwindet. Seine Frau und die Tochter Marie sind noch eine Stütze, doch die Nazis bringen die Familie zum Zerbrechen. Ruvens Träume zerfallen, der von der Musik genauso wie der von der Liebe, denn alter Hass wirkt ein Leben lang nach.


Burghart Klausner ist für mich einer der angenehmsten Vorleser anspruchsvoller Literatur. Prononciert erweckt er die Figuren zum Leben, denen Svenja Leiber nichts im Leben schenkt. Die Liebe zur Musik, die Ruven ein Leben lang begleitet, findet kein positives Ende, sie wird sogar zum Unheilsboten und verhindert eine schienbar noch mögliche Wende zum Guten. Ein trauriger Roman, voller in sich elender Einzelschicksale, die geprägt durch die Zeit werden und sicherlich viele Parallelen in der Realität finden.  

Lovelybooks Let's Read in English Challenge - January



Reading list January

1. F. Scott Fitzgerald - The Great Gatsby

2. Patricia Highsmith - The Two faces of January
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3. Alfred Hayes - In Love
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4. Dror Mishani - The Missing File
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5. Maj Sjöwall - Martin Beck: Murder at the Savoy
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6. Maj Sjöwall - Martin Beck: The Man who went up in Smoke
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7. James M. Cain - The Postman Always Rings Twice
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The challenge on lovelybooks.

Judith Winter - Lotusblut

Ein Doppelmord an einem Unternehmerpaar in einem Frankfurter Hotel wirft Fragen auf: wer heuert einen präzisen Auftragskiller an, um zwei unbescholtene Bürger zu ermorden und wer ist das chinesische Mädchen, das bei ihnen war. Die Kleine weigert sich mit Emilia Capelli und Mai Zhou zu reden. Offenbar aus Angst. Ihre vermeintlichen Stiefeltern treiben sie zur heimlichen Flucht aus dem Krankenhaus und auf die Suche nach Hilfe in der fremden Stadt. Die Kommissarinnen werden gleichzeitig vom BKA ausgebremst, sind sie doch in die Quere einer lange geplanten Aktion gegen Schmuggler geraten. Doch von Anzugträgern lassen sich die toughen Frauen nicht lange aufhalten. Auf eigene Faust ermitteln sie weiter und folgen der Blutspur durch die Bankenmetropole.

Einmal mehr kann Judith Winter mit dem ungewöhnlichen Ermittlerinnenduo zu 100 % überzeugen. Die Protagonistinnen haben Ecken und Kanten, sind nach wie vor zwar ermittlungstechnisch gut eingespielt, auf der persönlichen Ebene kämpfen sie miteinander um gegenseitige Anerkennung. Der Fall ist spannend bis zum Schluss, wird sauber und logisch geklärt und hat die exakt richtige Menge an Nebenkriegsplätzen, um weder unnötig kompliziert noch flach zu werden. Die Perspektivenwechsel schaffen ein hohes Tempo, was hervorragend zum Genre passt.

Fazit: Einmal Mehr beste Unterhaltung.


Montag, 19. Januar 2015

Tom Callaghan - Blutiger Winter

Bischkek, Kirgisistan. Eine junge Frau wird brutal ermordet im klirrenden Winterschnee aufgefunden. Die Grausamkeit wird getoppt durch einen Fötus, der in ihr platziert wurde und offenbar von einer anderen Frau stammt. Brisant: es handelt sich um die Tochter des Staatssicherheitschefs. Ähnliche Morde werden aus anderen Landesteilen berichtet. Inspektor Borubaew erfährt auch bald, dass in den Nachbarländern Gleiches geschieht. Klar ist, dass hier keine kleinen Fische am Werk sind. Die undurchsichtige Saltanat, für den usbekischen Geheimdienst tätig, sowie der Onkel seiner Frau ermitteln mit ihm, da die offiziellen Wege schnell verschlossen sind. Eine Lawine von Morden, barbarisch und rücksichtslos, folgen auf dem Weg zur Wahrheit.

Tom Callaghans Thriller bietet alles, was man sich wünschen kann: eine komplizierte Geschichte, bei der nie klar ist, wer Freund, wer Feind ist und wer kurzerhand die Seiten wechselt. Die Motive sind vielfältig und bisweilen banalst menschlich. Die Morde sind an Bestialität kaum mehr zu überbieten, insgesamt ist der geschilderte Umgangston deutlich rauer als in Westeuropa und Nordamerika. Dazu die klirrende Kälte.

Besonders interessant war für mich der ungewöhnliche Handlungsort. Eine völlig neue Umgebung mit ungewohnter Kultur. Inwieweit dies real ist, kann ich nicht abschätzen. Für Leser, die nicht des Russischen mächtig sind, könnten die vielen russischen Begriffe, die nicht übersetzt werden, verwirrend bis störend sein. Hier hätte möglicherweise eine Wortliste am Ende gut getan. Auch sind bisweilen die Formulierungen im Deutschen etwas komisch, Warenje mit Marmelade zu übersetzen, die dann in den Tschai (Tee, ebenfalls nicht übersetzt) gelöffelt wird, dürfte viele Leser stutzen lassen.


Insgesamt: alles, was man sich für einen Thriller wünscht. 

Sonntag, 18. Januar 2015

Laura Tait/Jimmy Rice - Das Beste, das mir nie passiert ist

Holly und Alex. Beste Freunde zu Schulzeiten in ihrem englischen Kaff, immer platonisch. Oder doch nicht? Mal macht der eine, mal die andere einen zaghaften Vorstoß, doch nein, es bleibt alles wie es ist. Ihre Wege trennen sich und nach 11 Jahren, als sie beide sich in London wiedersehen, ist alles beim alten. Diese Vertrautheit ist wieder da und auch die Zuneigung. Holly ist jedoch vergeben, eine nicht ganz einfache Affären-Beziehung mit ihrem Chef. Und Alex findet mit Hollys Kollegin Melissa auch schnell eine Freundin. Doch beide denken daran zurück, was gewesen wäre, was möglich schien und was vielleicht auch sein kann. Aber wieder steht das Leben zwischen ihnen und es wird nicht ausgesprochen, was sie sagen wollen. Es muss sich wohl jemand darum kümmern, dass die beiden endlich zueinander finden.

Ein untypischer Liebesroman. Die beiden Autoren erzählen die Geschichte im Wechsel aus der Sicht der beiden Protagonisten, mal im Jahr 2010 und mal in 1999, so fügt sich langsam ein Gesamtbild ihrer Freundschaft und all der verpassten Chance zusammen. Es gelingt ihnen, menschlichen Beziehungen in all ihrer Komplexität einzufangen, ohne dabei langweilig oder langatmig zu werden. Besonders gefallen hat mir der Wortwitz in den Dialogen, Hollys Telefonate mit ihrer Mutter sind köstlich; auch die Nebenfigur Kevin hat einen hohen Unterhaltungswert, bisweilen fast eine Karikatur des etwas einfältigen Draufgängers, der sich letztlich aber auch entwickeln darf und wie sich zeigt ein Glücksfall für beide ist.


Fazit: kurzweilige Unterhaltung, die auf die Stereotypen des Genre verzichtet und dadurch überzeugen kann. 

Donnerstag, 15. Januar 2015

Martin Krist - Engelsgleich

Berlin. In einer verlassenen Halle werden elf ermordete Kinder gefunden, die offenbar niemand vermisst. Ein anderes Mädchen, Merle, hingegen wird verzweifelt von ihrer Pflegemutter gesucht, doch die Polizei hält sie für eine Ausreißerin. Ein scheinbarer Selbstmord wirft für die Polizei jedoch eine ganze Reihe von Fragen auf. An der deutsch-tschechischen Grenze läuft der Handel mit Drogen, in dem Markus hofft weiter aufsteigen zu können. Seine Schwester hingegen schlägt sich mit dem Familienalltag rum. Die junge Anezka kämpft derweil mit Kevin ums nackte Überleben auf der Flucht vor brutalen Schlägern. Kommissar Kalkbrenner ahnt nicht, was für ein Fall ihn aktuell erwartet.


Martin Krist erzählt in rasantem Tempo nicht eine, sondern zahlreiche Geschichten, die sich nach und nach zu einem Gesamtbild verdichten und ein hoch komplexes Ganzes ergeben, das nicht nur authentisch wirkt, sondern vor allem auch die grausame Seite der Realität schonungslos offenbart. Die Erzählstruktur erlaubt zahlreiche Cliffhanger, die den Leser geradezu daran hindern das Buch beiseite zu legen und permanent für Spannung und Nervenkitzel sorgen. Hier liegt die große Stärke des Buchs, das dem Genre mehr als gerecht wird. Andeutungen und Hinweise eröffnen Spekulationsräume und tragen dazu bei, dass sich das Bild immer wieder wandelt. Einziger Wermutstropfen war, dass die lange aufrechterhaltene Handlungsparallele für mich zu schnell zu einem Ende geführt wurde und ich eher überrumpelt war über für die Figuren offenkundige Zusammenhänge, die ich als Leser nicht ganz so offensichtlich empfunden habe.

Alfred Hayes - In love

New York, 1950er Jahre. In einer Bar erzählt ein Mann Ende 30 einer jungen Frau von seiner großen Liebe. Eine Frau, deren Wohnung durch und durch chaotisch war, die jung heiratete, Mutter wurde und schnell wieder geschieden war. Sie mögen sich, gehen aus, aber eine ernsthafte Beziehung wurde nicht daraus. Bis eines Abends beim Tanzen ein reicher Geschäftsmann auf sie aufmerksam wird. Er bietet er Geld, sehr viel Geld, damit sie Zeit mit ihm verbringt. Der Erzähler merkt zu spät, dass er das Mädchen liebt, viel mehr als ihm bewusst war. Doch das Geld, der Reichtum, die Freunde, alle berühmt, mächtig, ebenfalls wohlhabend, haben ihren Reiz und bald muss er realisieren, dass sie freiwillig zu dem anderen geht und gar keine weiteren Anreize mehr gebraucht hätte.

Die Rahmenhandlung legt die Perspektive vor: der verlassene Mann. Was folgt ist ein stream of consciousness, dem naturgegeben Abschweifungen, Wiederholungen und Längen inhärent sind. Leider lässt das das Buch bisweilen auch sehr langatmig werden. Er bedauert sich selbst und seine Lage, an der er doch nicht ganz unschuldig ist. Wie schöne wäre es gewesen auch ihre Sicht zu kennen, ihren Konflikt zwischen den Männern mitzuerleben. Einziger Lichtblick: wirklich gelungene Formulierungen, treffsichere Pointen, die das Lesevergnügen dann doch noch erhalten.



Sonntag, 11. Januar 2015

Robert Brack - Die rote Katze

Der Mord an einer Varieté Tänzerin wird der erste Fall für den Schutzmann-Anwärter Heinrich Hansen. Nach Jahren auf See ist er in seine Heimat St. Pauli zurückgekehrt, um dort den neuen Beruf als Kriminaler zu erlernen. Dabei trifft er auf alte Bekannte, ist doch der Varieté Besitzer einer seiner Kindheitsfreunde und die Tänzerinnen Lilo das Mädchen, das er jahrelang verehrte. Vieles hat sich in den Jahren der Abwesenheit verändert, vieles aber auch nicht und bald brechen alte Wunden wieder auf. Der Fall indes ist vertrackt, aber Heinrich erweist sich als gelehrsam und begabt und schnell schon entdeckt er Ungereimtheiten, die leider sowohl bekannte Bürger Hamburgs als auch Kollegen in Schwierigkeiten bringen könnten.

Was dem Roman gut gelungen ist, ist das Hamburg zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor dem inneren Auge des Lesers wieder auferstehen zu lassen. Sowohl die Beschreibungen wie auch die Wortwahl setzen einem die 100 Jahre zurück und man kann sich das Treiben der sündigen Meile bildlich vorstellen. Auch die Figur des Heinrich Hansen ist interessant und komplex gezeichnet, er hat gleich mehrere Konflikte mit sich auszutragen, die keine einfachen Antworten erlauben. Der Kriminalfall hat sich für mich ein paar Mal zu sehr um die eigene Achse gedreht, ein wenig mehr Stringenz hätte dem Roman hier gut getan. Auch die zahlreichen Rückblicke, die zwar das Handeln einiger Figuren und ihr Verhältnis zueinander erklären, wurden irgendwann zu störenden Längen im Erzählfluss. Auch braucht die Handlung entsprechend sehr lange, bis sie sich tatsächlich dem Mordfall des Prologs widmet.


Fazit: durchaus unterhaltsam und interessant zu lesen, für einen Krimi aber zu wenig Spannung.

Mittwoch, 7. Januar 2015

Patricia Highsmith - The Two Faces of January

In Athen sieht der junge Rydal Keener einen Mann, der ihn spontan an seinen Vater erinnert. Er verfolgt ihn einige Tage und just als er mit ihm Kontakt aufnehmen möchte, beobachtet er ihn bei einem Mord. Er kommt ihm zu Hilfe und verschafft Chester MacFarland und seiner Frau Colette neue Pässe für die Flucht. Sie reisen gemeinsam nach Kreta, doch die Lage spitzt sich immer weiter zu. nicht nur wird MacFarland in den USA wegen Betrugs gesucht, auch kommt es mehr und mehr zu Spannungen zwischen den drei, vor allem weil Colette Rydal ausgesprochen sympathisch findet. Der Lage eskaliert, als MacFarland beim Versuch Rydal zu töten seine Frau umbringt und dem Gegner diesen Mord anhängen will. Beide sind nun Gejagte – von der Polizei und dem jeweils anderen.


Ein Psychothriller, in dem sich die Rollen immer wieder vertauschen. Man fragt sich bisweilen, warum Rydal sich selbst so sehr reinreitet, hat doch eigentlich nichts getan. Aber die Erinnerung an den Vater und danach die Zuneigung zu Colette lassen ihm keine andere Wahl. Das fulminante Finale in Paris absolut passend und ein gelungener Abschluss eines überzeugenden Katz-und-Maus-Spiels.

Gaston Leroux - Le fantôme de l'Opéra

In der Pariser Opéra Garnier lebt ein unbekanntes Wesen. Mit dem Pächter gibt es einen Vertrag: die Loge 5 gehört ihm und monatlich erfolgen Zahlungen, dafür geht in der Oper alles seinen geregelten Gang. Doch als die neuen Hausherren diesen Vertrag nicht fortführen möchten, zeigt das eigenartige Phantom sich von seiner bösen Seite. Ein Kronleuchter fällt während der großen Gala herunter, auch  der Mord an einem Mitarbeiter setzt langsam alle in Angst und Schrecken. Seine neueste Forderung: in Goethes Faust soll die unbekannte Christine Daaé statt der bekannten Diva als Gretchen auftreten. Sie ist eine begnadete Sängerin, nur weiß noch keiner was in ihr steckt, da sie seit geraumer Zeit nachts heimlich in der Oper übt und dabei vom Engel der Musik angeleitet wird. Dafür verspricht sie, sich ganz der Musik hinzugeben und niemand sonst zu lieben. Doch als ihr Kindheitsfreund Raoul auftaucht, gerät sie in einen schweren Konflikt, der das Phantom in blanke Wut versetzt.


Basierend auf Gerüchten rund um die berühmte Opéra Garnier hat Leroux seinen Roman angesiedelt, der wohl am besten als Schauerroman eingeordnet werden kann, jedoch mit vielfältigen Facetten. Gerade die Liebe zur Musik wird sehr schön geschildert, aber auch der Leidensweg des Phantoms, der sich immer weiter fortsetzt. Vermutlich gehört der Mythos um die Oper zum Künstlerleben dazu und passt ganz gut nach Paris, wo sich ja eine ähnlich tragische Liebesgeschichte unweit zugetragen haben soll. 

Dienstag, 6. Januar 2015

Leslie Kelly - Ich will dich

Nach dem Schlaganfall ihres Vaters muss Lizzie zurück aus New York, wo sie als Tänzerin arbeitet, und in der Familienbäckerei in Chicago aushelfen. Dort strandet auch Nick, der nach seinem Militärdienst noch etwas planlos Unterschlupf in bei der Familie gefunden hat. Bei ihrer ersten Begegnung erkennt er sie nicht – denn für ihn gab es nur die etwas kräftige Cookie, die ihn als Teenager bewundert hat. Lizzie erinnert sich sehr wohl und bei ihrem Nebenjob in einem Nachtlokal kann sie ihm verborgen hinter einer Maske alles heimzahlen. Doch eigentlich merken beide, das die Anziehung zwischen ihnen unaufhaltlich ist.


Ein typischer Erotikroman mit relativ flachen Figuren, wenig Handlung, die dafür auch noch sehr vorhersehbar ist. Positiv kann man das Bemühen um eine Handlung werten, die erotischen Szenen sind doch unerwartet begrenzt und tatsächlich auch nicht billig geraten. Liebhaber von Liebesromanen mit vereinzelten erotischen Szenen mögen dem Buch was abgewinnen können.

Sonntag, 4. Januar 2015

Berndt Schulz - Novembermord

Ein Mord in einer Wetterstation, grausam mit 33 Stichen ausgeführt mit einem Stiletto. Kommissar Velsmann und sein Team sind relativ ratlos. War es ein statistischer Ritualmord, wie sein Assistent vermutet? Oder doch Rache, dieses Motiv könnte bei dem Lehrer Petry eines nahegelegenen Bauernhofs passen, dessen Sohn im Jahr zuvor durch eine falsche Wettervorhersage ums Leben kam. Bevor sie die Ermittlungen wirklich aufnehmen können, geschieht ein zweiter Mord mit ähnlichem Muster. Ins Visier rücken auch Schausteller, die das Mittelalter für Touristen wieder auferstehen lassen und mit allerlei Grausamkeiten aufwarten können. Doch es braucht noch einen weiteren Mord, bis langsam Licht ins Dunkel kommt.

Der Krimi kann zwar mit interessanten zusammenhängen aufwarten, die sich er langsam auflösen, auch die immer wiederkehrenden Einblicke in die Gedankengänge des Mörders haben ihren Reiz. Insgesamt war mit die Handlung aber zu schleppend und dann wieder überrumpelnd. Einige sachliche Ungereimtheiten störten zudem den Lesefluss, weil man schlicht darüber stolperte.

Die drei Ermittler zeichnen sich durch arrogante Alleingänge, die sie in Lebensgefahr bringen und ein insgesamt sehr unsympathisches Auftreten aus. Velsmann bedauert sich die gesamte Handlung hindurch selbst, weil ihm die Ehefrau weggelaufen ist und schreckt auch nicht davor zurück, seine Zeuginnen auf plumpste Art und Weise anzumachen. So kann man mich als Leserin nicht unbedingt packen. Der psychologisch interessante Charakter des Täters kam leider insgesamt etwas zu kurz, um wirklich Einblick in seine Motivation zu geben.

Der Fall selbst war insgesamt komplex, aber es bleiben doch viele Fragen am Ende und so manches hätte es verdient gehabt näher ausgeführt zu werden – dafür hätte das Gejammer und Gebettel Velsmanns durchaus deutlich kürzer ausfallen dürfen. Die aufkommende Spannung wurde hierdurch leider immer wieder getötet und abgelenkt.

Samstag, 3. Januar 2015

John Fowles - Der Sammler

Fred ist ein einfältiger, junger Mann, der von seiner Tante großgezogen wurde. Er hat kaum Kontakt zu den Mitmenschen und zu Frauen schon gar nicht. Aus der Ferne beobachtet er die hübsche Miranda, ohne sich ihr jedoch zu nähern. Nachdem er im Lotto gewonnen und die Studentin in London einige Tage beobachtet hat, wächst in ihm immer mehr der Wunsch, dass Mädchen zu besitzen und anzusehen – genau so, wie er auch seine Schmetterlinge fängt und betrachtet. Er kauft ein abgelegenes Haus und überfällt Miranda. In seinem Keller sieht sie ihrem Martyrium entgegen. Er behandelt sie gut, gibt ihr ausreichend Nahrung, kommt ihren Wünschen nach, aber sie kann nicht aus ihrem Gefängnis. Sie unternimmt Fluchtversuche, die jedoch alle scheitern. Und dennoch kann sie ihm ein Ultimatum abringen, zu dem er sie freilassen wird. Am letzten Abend ihrer Gefangenschaft überredet sie ihn zu einer kleinen Abschiedsfeier in seinem Wohnzimmer. Als ein Wagen vorbeifährt, sieht sie ihre Chance, doch auch dieser Versuch scheitert. Eine letzte Taktik denkt sich Miranda aus: sie will Fred verführen – und ahnt nicht, dass sie damit das Bild, das er von ihr hat, zerstören wird und dies alles ändert.


Ein Psychothriller der besonderen Art. Die zwei Protagonisten liefern sich einen nervenzerreißenden Kampf mit ihren jeweiligen Mitteln. Fred, der Herr über die Schlüssel und Knebel ist und Miranda, die ihm an Cleverness überlegen ist. Sie ringen miteinander und nie weiß man, wie es endet. Ein Katz und Maus Spiel, in dem der Vorteil stetig wechselt – schlicht: genau das, was man von einem Psychothriller erwartet.

Ann Cleves - Die Nacht der Raben

Shetland Inseln im Winter, alles verschneit. Die Welt steht still. Nur ein paar Raben fliegen umher und bewachen scheinbar das Mädchen mit dem roten Schal. Fran Hunter beobachtet die Szene und denkt zunächst, sie habe ein interessantes Motiv für ihr nächstes Bild gefunden. Bis ihr bewusst wird, dass sie die Leiche der 16-jährigen Catherine gefunden hat. Vor Jahren verschwand bereits einmal ein Mädchen, deren Leiche jedoch nie gefunden wurde. Damals stand der seltsame Eigenbrötler Magnus Tait unter Verdacht, man konnte ihm jedoch nichts nachweisen. Jetzt war er schienbar wieder der letzte, der das Mädchen gesehen hatte. Aber hat er sie auch ermordet?

Ein gruseliger Krimi im schottischen Winter. Die Raben, die an mehreren Stellen wieder auftauchen tragen vor allem zur düsteren und undurchschaubaren Atmosphäre auf der Insel bei. Der Ermittlungen schleppen sich ein wenig hin, was aber bei der Auflösung, die durchaus unerwartet kommt, nicht verwundert. Mehrere Wendungen, immer mehr hinweise, die unterschiedliche Motive darlegen, führen den Leser bzw. Hörer immer auf andere Fährten und ins nichts.


Spannende Unterhaltung für kalte Winterabende. 

F. Scott Fitzgerlad - The Great Gatsby

Nick Carraway kommt nach New York, um dort seinen neuen Job anzutreten. Ein kleines Häuschen hat er in der Nähe großer Villen gemietet und so lernt er schon bald seinen Nachbarn kennen, der regelmäßig pompöse Partys gibt: Jay Gatsby. Seine Cousine Daisy und ihr Mann Tom sowie deren Freundin Jordan sind ihm in der ersten Zeit Freunde und lernt durch sie die andere Seite New Yorks kennen: das ausgelassene Partyleben der 20er. Als Gatsby mit einem Wunsch an ihn herantritt, will er diesen gerne erfüllen: er möchte Daisy wiedersehen, seine Liebe aus der Zeit vor dem Krieg. Nick arrangiert das Treffen und löst damit eine Kettenreaktion aus, die in einer Katastrophe endet.

Ein Klassiker der amerikanischen Literatur und des American Dream. Der talentierte junge Mann, der mit Fleiß und innerer Überzeugung den Weg nach oben sucht und sich Geld und Ansehen erarbeitet. Zugleich eine tragische Liebesgeschichte und ein Beispiel für die Zügellosigkeit und Rücksichtslosigkeit der New Yorker Oberschicht der 1920er. Heute nicht weniger aktuell als vor 90 Jahren.

Für mich auch bei x-ten Lesen spannend zu sehen, wie Gatsby sich entwickelt und wie er doch am Ende verliert.


Philippe Pozzo di Borgo - Le second souffle

Philippe Pozzo die Borgo, Spross einer superreichen französisch-italienischen Adelsfamilie lässt in seiner etwas eigenwilligen Biographie sein Leben Revue passieren. Episodenhaft erinnert er sich an seine Kindheit, seine Liebe zu Béatrice, die viele Jahre ihrer Ehe durch den Kampf gegen den Krebs gezeichnet wurde, sein Leben vor und nach dem Unfall, der für ihn als Tetraplegiker endet. Auch schildert er Szenen aus seinem Leben nachdem Abdel seinen Dienst als Pfleger angetreten hat, dies wird jedoch erst in dieser Ausgabe hinzugefügt, vermutlich dem Erfolg des Film geschuldet, denn eigentlich hat die Biographie nur wenig Bezug zu der Handlung, wie sie in „Intouchables“ gezeigt wird.


Das Buch ist interessant und unterhaltsam zu lesen. Man kennt die Familie der Pozzo die Borgo eigentlich kaum, obwohl ihnen große französische Unternehmen wie Pommery gehörten. Seine Erziehung und die etwas eigenwilligen Ansichten des Vaters spiegeln die Zeit der 50er und 60er wieder, die sicherlich auch für Kinder dieser Schicht kein Zuckerschlecken waren. Für mich am beeindruckendsten, wie er und seine erste Frau mit der Krebserkrankung umgehen und wie bedingungslos er für sie da ist. Das ganze kehrt sich dann um, als er bewegungsunfähig und depressiv wird. Die Szenen in den Sanatorien mit all den schwer gezeichneten Mitmenschen, seine immer wiederkehrenden Verzweiflungen sind in seiner Lage mehr als nachvollziehbar. Auch wenn natürlich die Passagen mit Abdel an Unterhaltungswert steigern, waren sie für mich letztlich die weniger interessanten, da sie den Blick von Pozzo di Borgo ablenken, dessen Kampf zurück ins Leben ich bewundernswert und mutmachend empfand.

Freitag, 2. Januar 2015

Michael Ziegelwagner - Der Aufblasbare Kaiser

Nach einem Sturz in der Badewanne am frühen Morgen denk Vera Beacher darüber nach, wie sie nun – schwer verletzt wie sie sich glaubt – ihr Leben im Rollstuhl und mit dieser Verletzung meistern soll. Aber vor allem: wie viel Mitleid man ihr entgegenbringen würde. Nachdem ihre Schwester ihr Beine gemacht hat, muss sie dann doch Richtung Arbeit aufbrechen und stürzt prompt nochmals in der Straßenbahn. Beim Bummeln stößt sie auf das Hinweisschild einer monarchistischen Geheimvereinigung und beschließt spontan an deren Treffen teilzunehmen. Was folgt sind Wochen mit einem hochkuriosen Herrenclub. Überwiegend betagt träumen sie von der Wiederinthronisierung des letzten Kaisers, Otto von Habsburg. Dank der neuen jungen Kraft beginnen die Herren nun auch wirklich aktiv zu werden und demonstrieren sogar. Dabei sollte Vera – gänzlich unpolitisch und mit einem leichten Verstand gesegnet, wie die Herren schnell schon merken – sich eigentlich um den Junggesellinnenabschied ihrer Freundin kümmern. Aber der Gedanke ist doch zu verlockend: was sollte man denn wirklich gegen einen Kaiser haben?

Michael Ziegelwagner hat einen durch und durch komischen Roman geschrieben, der es nicht ohne Grund auf die Longlist des deutschen Buchpreises geschafft hat. Herrliche Formulierungen lassen die untergegangenen k.u.k. Dynastie wieder auferstehen und man fühlt sich bisweilen lockere 100 Jahre zurückversetzt. Die Dialoge sprühen nur so vor Wortgewalt und Witz, dass es größte Unterhaltung ist, dem gelegentlich hochgradig absurden Austausch zu folgen. Die überaus exzentrischen Figuren sind so liebevoll gezeichnet, dass man ihre verqueren politischen Ansichten ohne Weiteres hinnehmen kann. Auch die Protagonistin ist mit ihren zahlreichen Unzulänglichkeiten und dem  eher schlichten Gemüt nicht einfach ein naives Dummchen, sondern liebenswert zum Kopf schütteln.


Ein charmantes Buch, das jede Lobpreisung, die ihm zugute kam, voll verdient hat.

Donnerstag, 1. Januar 2015

Christa Bernuth - Innere Sicherheit

Die Leiche von Hanna Schön wird an einen Ostseestrand angespült. Der junge Polizist Martin Beck übernimmt zunächst den Fall. Doch schnell stellt sich heraus, dass die Frau ermordet wurde – nicht mit DDR Waffen und ihm wird die Ermittlung entzogen. Auf eigene Faust will er herausfinden, was hinter dem Mord steckt. Nichts ahnend gerät er in ein verstricktes Netzt deutsch-deutscher Beziehungen, in dem kaum jemand ist, was er vorgibt zu sein und wo höchste staatliche Stellen die Geschehnisse lenken. Becks bisher weitgehend ungetrübtes vertrauen in den sozialistischen Staat und sein Misstrauen gegenüber den Kapitalisten bekommen Risse und bald wird auch er zum Gejagten, der sich fragen muss, zu welcher Seite er sich bekennen will.

Ein Roman mit höchster Brisanz, Agenten auf beiden Seiten und derart realistisch geschildert, dass man gerne glauben mag, dass die Handlung sich so in der Realität zugetragen haben mag. Clever entflechtet sich das politische Spinnennetz und mit fortschreitender Handlung steigt das Entsetzen darüber, wie auf beiden Seiten der Mauer möglicherweise aus Staatsinteresse mit Menschenleben umgegangen wurde (und wird?). Die Figur des Martin Beck entwickelt sich im Laufe seiner Ermittlungen auf glaubwürdige Weise, so dass auch sein Handeln nachvollziehbar motiviert ist. An vielen Stellen wird der Leser eingeladen sich zu fragen, wie man selbst reagiert hätte und wie weit man bereit ist, auch für andere zu gehen.


Spannende Unterhaltung mit realem Hintergrund gelungen umgesetzt.
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