Mittwoch, 29. Oktober 2014

Anne Lise Marstrand-Jörgensen - Das indiskrete Leben der Alice Horn

1969 in Dänemark. Alice Horn lebt das typische Leben einer Frau ihrer Zeit. Die Ausbildung noch beendet wird sie heiraten und sich um Mann und Kinder kümmern. In einem hübschen neuen Häuschen, umgeben von vielen Familien, die ein identisches Leben leben. Die Einöde holt sie und ihren Mann Eric bald ein, mit sexuellen Freiheiten und besuchen im Swingerclub wollen sie wieder mehr zueinander finden, doch sie entfernen sich immer weiter und es endet wie es enden muss: Alice tritt aus dem Leben, das sie nie haben wollte. Sie lässt Eric völlig überfordert zurück, die Töchter Marie-Louise und Flora könnten unterschiedlicher kaum sein und stehen am Übergang zur Pubertät. Sie müssen sich denselben Fragen stellen, auf die ihre Mutter schon keine Antwort gefunden hat: wie selbstbestimmt können sie in der Gesellschaft Anfang der 70er Jahre leben? Wie viel echte Freiheit geht mit sexueller Freiheit einher? Mit einem Vater, der ihnen keine Hilfe ist und einem jüngeren Bruder, der ebenfalls abdriftet, rennen die beiden Mädchen in ihr Unglück.

Der deutsche Titel ist unglücklich gewählt und irreführend. Alice Horn tritt schon nach dem ersten Drittel des Buches ab und verblasst danach recht schnell. Zwar treten ihre Töchter, insbesondere die kleine Flora, in ihre Fußstapfen, aber das rechtfertigt den Titel nicht. noch dazu legt dieser etwas nahe, was nicht der Fall ist: Alice sucht nicht die Indiskretion und findet darin auch keine Erfüllung. Das Buch bleibt für mich schwer zu fassen, vor allem, weil der Fokus sich immer wieder verschob und Antworten offen blieben. Vieles bleibt am Rande – wie die Geschichte um Martin, man kann nur mutmaßen, was mit ihm los ist und welches Unglück passierte. Auch Marie-Louise lernt man nur als Außenstehende kennen, dabei wäre es interessant gewesen, wie sie im Kontrast zu Flora mit dem Verlust der Mutter umgeht. Die Einblicke in das Seelenleben, dass man zu Beginn von Alice erhält, wird in Flora fortgeführt, sie ist jedoch kein besonders leichter und auf Anhieb sympathischer Charakter, was es schwer macht, mit ihrer Zerrissenheit und Unsicherheit mitzufühlen. An ihr arbeitet die Autorin die Entwicklung zur sexuellen Freiheit der damaligen Zeit ab, die Verunsicherung, verschiedene gesellschaftliche Strömungen und die Konfrontation mit tradierten Werten, wobei es letztlich auch keine Antworten gibt.


Fazit: keine leichte Lektüre, viele Brüche und Unebenheiten, die einem immer wieder anhalten lassen.
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