Donnerstag, 22. Mai 2014

Hans Fallada - Der Alpdruck

Deutschland, April 1945. Der Krieg ist zu Ende, die letzten Züge bis die Grauensherrschaft endgültig ausgelöscht ist. Nahe Berlin warten Doll und seine Frau auf die Rettung durch die Russen. Endlich rollen die ersehnten Panzer. Verstecken sich alle anderen vor den Soldaten, gehen Doll und seine Frau fröhlich auf sie zu. Als Städter sind sie ohnehin anders und bald schon kehren sie den missgünstigen Kleinbürgern den Rücken und  ins geliebte Berlin zurück. Doch dort sind die Spuren des Krieges unverkennbar und neben den krankheitsbedingten Leiden kommt nun akute Not über das Paar: die Wohnung wurde anderweitig vergeben, zu Essen gibt es nichts und an Arbeit ist gar nicht zu denken. Für Wochen versinken beide in tiefer Apathie, die sie mit Morphium pflegen, um nur die Augen vor der Realität verschließen zu können. Wie soll in dieser Stadt, in diesem Land jemals wieder Leben entstehen? Ist nicht mit den Nazi alles Zugrunde gegangen?  Schwer nur können sie sich aus der Schockstarre lösen und wieder aktiv ins Leben zurückkehren.

Für mich war dies der erste Roman Hans Falladas und ich bin nachhaltig von ihm beeindruckt. Zwei Aspekte sind für mich insbesondere relevant: einerseits sein Vermögen, die Nachkriegsstimmung in der Kleinstadt wie auch im zerbombten Berlin einzufangen, sowohl die sichtbaren Schäden wie auch die weniger offensichtlichen psychischen Schäden bei der Bevölkerung. Andererseits die symbolische Porträtierung des deutschen Volkes durch den Zustand der Familie Doll. Die Befreiung, die wiederum neue Probleme mit sich bringt, die Hoffnung an die Vorkriegsjahre anknüpfen zu können, die jäh zerstört wird, das neu arrangieren in allen Lebensbereichen, Umkehrung von Machtverhältnissen, das nackte Überleben müssen oder die Option der Flucht aus der Realität. Wie langsam die Deutschen aus der Depression herausfinden und ihr Vaterland wieder herrichten, müssen auch die Dolls erst ihr neues Leben annehmen und mit frischen Mut Rückschläge wegstecken, um sich eine Zukunft zu schaffen.

Für mich in seiner Symbolkraft einer der stärksten Romane seiner Zeit. Die vordergründige Handlung mit kleinen Seitenverweisen versehen, die zum Teil nur andeuten, manchmal aber auch offenkundig die Situation eines Landes am Boden darstellen – eine gelungene Anklage und Mahnung.


Ebenfalls sehr gelungen die Aufmachung des Buches durch den aufbau Verlag. Ein Buchcover, das erfreulicherweise nicht belang- und bedeutungslos ist, sondern einen klaren Bezug zur Handlung aufweist. Mit informativem Vor- und Nachwort, um das Werk angemessen einzubetten und den Leser bei der Lektüre zu begleiten. Ein alles in allem sehr gelungenes Werk. 
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