Sonntag, 2. Dezember 2012

Cornelia Vospernik - Genosse Wang fragt

Genosse Wang, wie der Name nahelegt Chinese, arbeitet als Journalist beim Volksblatt, einer wichtigen staatlichen Institution. Sein Leben besteht daraus, die richtigen Worte zu finden und so beginnt das Buch mit seiner intensiven Grübelei über die Frage, die sein Leben verändern soll. Die Frage die er auf einer Pressekonferenz stellen wird, statt der zuvor angesprochenen Scheinfrage. Doch seine Nervosität macht ihm einen Strich durch die Rechnung und lässt ihn  - durch jahrelanges Training bestens mit Automatismen ausgestattet - wieder das ihm aufgetragene von sich geben. Doch nicht nur die wichtigste aller Fragen beschäftigt ihn, sondern auch die Sekretärin Zhang, zu der er eine für ihn schwer definierbare Zuneigung empfindet. Das Konzept Liebe ist für ihn nicht fassbar, daher schließt er selbige aus.

Die Ereignisse im Volksblatt überschlagen sich und wie durch ein Wunder wird Wang befördert und erhält die wichtigste Aufgabe des Jahres: die Pressekonferenz der Partei. Da er sehr kurzfristig an diese Position gelang ist, fehlt ihm eine entscheidende Information: welche Frage muss er stellen? Seine Kultur verbietet es ihm, sich vorher zu erkundigen und dann geht plötzlich alles ganz schnell und er muss aus des Stegreif eine Frage an den Vorsitzenden richten. Diese wird seine berufliche Karriere nachhaltig verändern. Aber war das schon die wichtigste Frage seines Lebens?

Cornelia Vospernik blickt tief in die Empfindsamkeit eines chinesischen Arbeiters. Die Idee Journalismus wird ad absurdum geführt, für uns im Westen nicht weiter überraschend. Die Unsicherheit und andauernde Angst vor Fehlern, die die durchschnittlichen Chinesen scheinbar tagtäglich begleiten, werden in der Geschichte mehr als deutlich. Genosse Wang ist von Haus aus ein cleverer Journalist, der auch versteht, wie bestimmte Dinge zu laufen haben, doch sein zweifelnder Charakter lähmt ihn immer wieder und lässt ihn ratlos, fast verzweifelt zurück. Der Umgang der Menschen miteinander wird bestimmt von den Hierarchien und dem unbedingten Willen, seine Position immer und überall deutlich zu machen. Es ist weniger die Handlung als das, was zwischen den Zeilen mitschwingt, was diesen Roman auszeichnet und uns interessante und bisweilen erschreckende Einblicke erlaubt. Humor, wenn auch manchmal fast bissig, lässt manches oberflächlich etwas abmildern, aber das zugrunde liegende Menschenbild zeigt an so mancher Stelle seine böse Fratze.

*****/5
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