Sonntag, 30. Dezember 2012

Paulo Coelho - Die Schriften von Accra

Paulo Coehlo konstruiert eine interessante Geschichte: über verschlungene Wege sei ihm eine alte Schriftenrolle zugetragen worden, die er nun der Welt zugänglich machen möchte. Sie gehöre zu einer größeren Sammlung, sei bislang aber mit Verachtung gestraft worden. Sie beschreibt die Ereignisse vom 14. Juli 1099 dem Abend, bevor Jerusalem angegriffen werden sollte und an dem sich die Bewohner der Stadt, schon gerüstet für den bevorstehenden Kampf, nochmals versammeln und einem griechischen Kopten lauschen, der während vieler Reisen und intensivem Studium das religiös-philosophische Wissen der damaligen Zeit gesammelt hat und dies für die Nachwelt bewahren möchte. Daher sollen seine Worte aufgeschrieben und memoriert werden, damit spätere Generationen nicht dieselben Fehler wie ihre Väter machen müssen.

Einzelne Bewohner wenden sich in der Folge mit den großen Fragen des Lebens an ihn. So werden die Liebe, aber auch Arbeit und Erfolg, Schönheit oder Angst und das Alleinsein thematisiert und fast gleichnisartig beantwortet.

Coelho hat dieses Büchlein nach einem Herzinfarkt innerhalb weniger Tage verfasst. Dem Tod ins Auge blickend konzentriert er sich auf die wesentlichen Themen der Menschheit und findet sowohl bei den drei großen Weltreligionen, aber auch bei den alten Philosophen für ihn befriedigende Antworten. Das Buch endet mit dem Bewusstsein, alles für ein zufriedenes Leben erforderliches Wissen dargelegt zu haben. Ein Buch fast wie ein Abschied.

****/5

Samstag, 29. Dezember 2012

Lew Tolstoi - Anna Karenina

"Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise." - Mit diesen weltberühmten Worten startet Rosemarie Tietzes aktuelle Übersetzung Tolstois Meisterwerk. Das Familienportrait zeigt die unglücklichen, aber auch glücklichen Seiten zweier Familien, die über das Geschwisterpaar Anna Karenina und Stepan Oblonski verbunden sind. Die Frauen sind, mit Ausnahme Lewins, die tragenden Figuren: Oblonskis Frau Darja/Dolly, die schwere Zweifel an ihrer Ehe plagen, ihre Schwester Jekatarina/Kitty, im heiratsfähigen Alter zwischen Verehrern und eigenen Wünschen zerrissen und Anna, deren heile und bis dato glückliche Welt durch die Begegnung mit Wronski und die entflammende Liebe zerbricht. Alle drei durchleben Phasen großer Enttäuschung, tiefen Leidens und großer Zweifel - ebenso wie schier überbordende Glücksgefühle. Zwischen diesen Gefühlen, Vernunft und gesellschaftlicher Erwartung lässt Tolstoi sie lebendig werden und den Leser an ihren Gedanken teilhaben.

Anna Karenina besticht nicht durch Handlung, gemessen an der Länge des Werks passiert wenig. Es ist das Sittengemälde der russischen Gesellschaft gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit all ihren Problemen - es ist die Zeit der großen Reformen Alexanders II., die durch Lewin diskutiert werden. Fragen nach der Rolle des Adels werden ebenso aufgeworfen wie kommunistische Gedanken, die das Land viele Dekaden später prägen werden. Die zentrale Problematik spiegelt sich jedoch in Anna Karenina wieder, die als verheiratete Frau aus dem Gefängnis der Ehe ausbrechen möchte und an den Konventionen, aber auch an ihrem eigenen Unvermögen zu kommunizieren und mangelnder Empathie zerbricht. Die Intensität mit der Tolstoi die Zerrissenheit der Frauen, insbesondere Annas und Kittys, schildert, überbrückt alle zeitlichen Distanzen und ist heute aktuell wie zur Zeit der Erstveröffentlichung.

Erstaunlich ist, dass die titelgebende Figur erst nach rund 100 Seiten zum ersten Mal auftaucht. Vorher schwebt sie zwar über der Handlung, ist aber nicht präsent. Mit ihrer Ankunft am Bahnhof bereitet Tolstoi ihr jedoch einen roten Teppich und legt den Grundstein für ihr Unglück. Der Kreis schließt sich, indem man sie auch am Bahnhof ein letztes Mal sieht - unter anderem darin zeigt sich die Kunst Tolstois, die Tragik auf einen einsamen Höhepunkt zu bringen.

Einen großen Beitrag hat sicherlich auch Rosemarie Tietze geleistet, deren Übersetzung sprachlich absolut gelungen ist. Leicht fliegt der Text dahin und schafft den schwierigen Spagat zwischen modernem Ausdruck und der Handlungszeit angemessener Formulierung.

*****/5

Donnerstag, 27. Dezember 2012

Alice Pung - Ungeschliffener Diamant

Die Ich-Erzählerin Alice lebt in Australien, wo ihre Eltern nach der Flucht aus China und Kambodscha bzw. Vietnam ein neues Leben anfangen wollen. Die ersten Eindrücke der neuen Kultur sind überwältigend und für die Mutter bisweilen überfordernd. Die Anwesenheit der Schwiegermutter macht es für die junge Frau nicht einfacher und auch Töchterchen Alice ist hin und her gerissen. Doch nach und nach schafft die Familie den Aufstieg und das Kind aus schlichten Verhältnissen schafft es einen Studienplatz für Jura zu ergattern.

Alice repräsentiert die zweite Generation Asiaten in Australien. Zwar stellt ihr das Land all seine Möglichkeiten offen, doch der familiäre Rahmen ist eng gesetzt. Sie steckt zwischen den beiden Kulturen, will es ihren Eltern recht machen und die asiatische Kultur und Tradition auch bewahren, andererseits merkt sie, dass sie keinen Zugang zur Jugendkultur hat und beispielsweise bei ihrem ersten Date völlig überfordert ist.

Über weite Teilen schwankt das Buch zwischen zwei Extremen: mit viel Humor werden die Erfahrungen der Asiaten im neuen Land geschildert, gleichzeitig verschweigt Pung auch die Grausamkeiten nicht, die die Familienmitglieder erlebt haben und das streng geordnete hierarchische Familiensystem mit all seinen Regeln. Entfremdung der Kinder durch die neue Kultur, auftauchende sprachliche Barrieren im neuen Land aber auch zwischen den Generationen, Verständnislosigkeit und falsche Vorstellungen von den Kulturen, all das gelingt es Alice Pung in ihrem biographisch angelegten Roman unterzubringen.

Ein Buch, dass sehr viele Einblicke in eine fremde Kultur und in das innerste der Familien erlaubt. Als besonderes Extra noch ein Nachwort von Olga Grjasnowa, die ähnliche Erfahrungen in ihrem Leben gemacht hat.

*****/5

Dienstag, 25. Dezember 2012

Hans Rath - Und Gott sprach: Wir müssen reden!


Kurz vor Weihnachten. Jakob Jakobi steht vor einem Trümmerhaufen, der sein Leben darstellt: seine Ehe geschieden, seine Wohnung ein nicht-bezahltes winziges Appartement und Patienten hat der Psychologe auch keine mehr. Dann steht auch noch seine Ex-Frau vor der Tür und ihr neuer Lover folgt auf dem Fuße. Die Begegnung mit dem Boxer endet für Dr. Jakobi  im Krankenhaus.

Dort trifft er auf den schrulligen Clown Abel Baumann, der glaubt Gott zu sein und Jakobi als Therapeuten engagiert. Trotz unzähliger Gottestaten ist sich der Psychologe nicht sicher, was er von seinem Patienten  halten soll. Zu kurios kommt ihm alles vor, andererseits deutet auch einiges auf den Wahrheitsgehalt des kuriosen Zeitgenossen hin. Gemeinsam blicken sie auf das Leben, die Menschheit und die Frage, ob es Gott gibt und ob er etwas Gutes tut und wirksam ist.

Das Buch ist hochgradig unterhaltsam. Viele lustige und skurrile Begebenheiten lassen einem schmunzeln und bisweilen auch lachen. Die Grundfragen der Menschheit sind jedoch in ihrer Ernsthaftigkeit nicht von der Hand zu weisen und Jakob Jakobi muss sich mit seiner Existenz und den Menschen in seinem Leben ernsthaft auseinandersetzen.

Hans Rath hat es geschafft gute Unterhaltung mit hohem Spaßfaktor und ein ernstes Thema mit einander zu verbinden. Der Leser hat die Wahl, was er daraus macht, bleibt ihm überlassen. Sehr empfehlenswert als leichte Kost zwischendurch oder als Denkanstoß.


*****/5

Sonntag, 23. Dezember 2012

Jenk Saborowski - Das Biest

Der zweite Fall für Special Agent Solveigh Lang der europäischen Eliteeinheit ECSB. Eine ungewöhnliche Kontaktaufnahme: Der israelische Geheimdienst warnt die Europäer vor einem mysteriösen Computervirus mit enormer Schlagkraft. Nicht nur die gesamte Wirtschaft der Europäischen Union steht auf dem Spiel, sondern auch die Gesundheit der Menschen: Anschläge auf Atomkraftwerke werden vorbereitet. Wer hinter diesem teuflischen plan steckt, ist unklar. Russische Oligarchen, alte Geheimdienstler der DDR und die westlichen Geheimdienste liefern sich einen nervenaufreibenden Wettlauf gegen die Zeit. Im Fokus dabei die taffe Agentin Solveigh, die mit Unterstützung ihres Teams im Hintergrund und ihren Freund, den französischen Journalisten, furchtlos dem Biest in die Augen blickt.

Der Thriller ist rasant in seiner Entwicklung. Parallel werden verschiedene Stränge aufgenommen, die gekonnt miteinander verwoben werden. Es ist weniger die Frage danach, wer im Hinterrund operiert, sondern ob die Spezialeinheit siegen wird. Die Zusammenhänge werden schon bald offenbar, doch die Spannung bleibt erhalten. Ein Wirtschaftskrimi mit politischen Aspekten, der genau soviel Action mitbringt, wie erforderlich, aber auf unnötiges Geballer und Morden verzichtet.

Insgesamt gute Unterhaltung. Minuspunkte gibt es für kleine Unstimmigkeiten. Eine Eliteienheit würde niemals einen Journalisten einbinden und schon gar nicht bei einer so gefährlichen Flucht, Noch dazu war die Anwesenheit Marcels in Russland völlig überflüssig. Solveigh kann halb in die Luft gesprengt werden, macht aber weiter, als wenn nicht gewesen wäre. Sie jettet in zig Ländern, braucht nie einen Dolmetscher, obwohl sie auch mit Personen spricht, die sicher nicht des Englischen auf hohem Niveau mächtig sind - überhaupt kann jede Figur in jedem Land problemlos kommunizieren. Dazu noch kleine Fehler wie das Vertauschen von Namen, da hat das Lektorat nicht sauber gearbeitet.

Trotzdem empfehlenswerter Thriller mit Höchstspannung.

****/5

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Mirjam Dreer - Begraben unter Gänseblümchen

Mirjam Dreer hat ein Buch über die Liebe geschrieben. Eine Abrechnung. Nicht süß, nicht zum Schmachten, nicht gefühlvoll. Die Autorin präsentiert die hässlichen Seiten dieses Gefühls, auch die Seiten, die nur vermeintlich mit Liebe zu tun haben, aber eigentlich nur Fleischeslust sind und ganz ohne Gefühl auskommen.

In insgesamt 15 Kurzgeschichten, die sie wie eine LP gestaltet - mit Songtiteln versehen und als Tracks bezeichnet - nähert sie sich der Liebe und rechnet mit ihr ab. Völlig verschiedene Geschichten kommen dabei raus. Wiederholt präsentiert sie uns dabei Sexszenen, die nicht schön sind, die nicht gefühlvoll sind und sogar bis zur Vergewaltigung gehen. Aber auch die seelische Gewalt - zum Teil selbst verantwortet - spart sie nicht aus. Dafür, dass alle Episoden aus derselben Hand stammen, sind sie ausgesprochen verschieden und nicht wiederholend. Manchmal kann man sogar ein wenig schmunzeln, manchmal bleibt einem ob einer dramatischen Wendung die Luft weg.

Bemerkenswert noch das Cover. ein Sarg mit der Aufschrift "Liebe" liegt begraben - unter Gänseblümchen. Selten sieht man einen etwas schrägen Titel so perfekt umgesetzt.

Eine Beurteilung des Buchs fällt schwer. Es liest sich zügig in einem weg, manche Geschichten gehen dabei tiefer, andere bleiben einem fern. Das Buch besticht sicherlich am meisten damit, sich dem Thema von der anderen Seite des Spektrums zu nähern.

****/5

Dienstag, 18. Dezember 2012

Volker Kutscher - Die Akte Vaterland


Berlin im Sommer 1932. Kommissar Gereon Rath bekommt es mit einem seltsamen Fall zu tun: im Vaterland, einem Vergnügungstempel, wird ein Spirituosenlieferant tot in einem Aufzug gefunden. Nicht nur die Frage, weshalb der Mann ums Leben kam, sondern auch die Frage, weshalb auf so kuriose Weise - er wurde ertränkt - stellt die Polizei vor ein großes Fragezeichen.

Doch nicht nur beruflich ist der Kommissar gefordert. Nach mehrmonatiger Trennung erwartet er seine Geliebte Charly zurück in der Stadt und möchte ihr endlich einen Heiratsantrag machen. Die überschwängliche Freude, die er von ihr beim Wiedersehen erwartet hat, bleibt aus, so geht die Beziehung eher holprig dahin und wird zusätzlich durch Charlys Anfang in Raths Abteilung der Polizei belastet.

Die Ermittlungen gehen in vielfältige Richtungen, bald schon zeigt sich, dass es keine Einzeltat war, sondern quer übers Land Männer auf dieselbe Weise ums Leben kamen. Die Spur führt in die Vergangenheit und in die Masuren. Dort ist man wenig erfreut über die Präsenz der Berliner Polizei - obwohl man sehr bemüht ist, die Loyalität und Verbundenheit zum geliebten Vaterland zu demonstrieren. Rath muss nicht nur Dienstvorschriften und Vorgesetzte ignorieren, um den Fall zu lösen, sondern riskiert gleich mehrfach sein Leben - und seine Zukunft mit Charly.
Der Mordfall ist gut konstruiert und lässt bis zum Ende Spielraum für Spekulationen. Nur nach und nach lüftet sich das Rätsel und das Ausmaß der Verstrickung wird deutlich. Allerdings hat das Buch viele Längen, bei denen man den Eindruck hat, dass die Handlung über 50 Seiten nicht vorankommt und auch die Entwicklung der Figuren nicht zur Unterhaltung beiträgt. Diese bleiben über weite Strecken unsympathisch. Die Arroganz Raths ist schier unerträglich, seine Verachtung für die Bewohner der Masuren und die Annahme, dass diese pauschal und ausnahmslos dumm sind als Landbewohner, ist auch im Kontext der Zeit weder akzeptabel noch für einen Leser erträglich. Sein mangelndes Feingefühl im Umgang mit all seinen Mitmenschen macht das Buch so manches Mal zu einer Zumutung. Seine Verlobte Charly gleicht das leider auch nicht aus. Einerseits würde sie gerne große Kommissarin spielen, gleichzeitig verfügt sie über gar kein Rückgrat, und beste Anlagen das Heimchen am Herd zu werden. Sie zieht sich lieber darauf zurück zu schmollen oder zu heulen statt ihre Position klar zu machen. Im Beruf noch verständlich, im Privatleben für eine Frau, die zunächst als emanzipierter Charakter vorgestellt wird, irgendwo zwischen verwunderlich und nervig. Das restliche Figurenpersonal besticht auch eher durch disqualifizierendes Verhalten, so dass am Ende kein einziger Sympathieträger bleibt und man eher desinteressiert an deren Ausgang wird.

Am Ende bleibt Enttäuschung. Ich hatte mir viel mehr von dem Buch erwartet. Weder die Handlung noch die Figuren konnten mich fesseln, so dass ich das Lesen eher als müßig empfand. Aufgrund des Settings hatte ich eine politischere Einbettung erwartet, das blieb jedoch immer am Rand und unbedeutend. Möglicherweise war es ein Fehler, Band 4 der Reihe ohne die Vorgängerbände zu lesen. Die Bezüge zu älteren Fälle, die am Ende gezogen werden, bleiben völlig unklar und das seltsame Verhältnis von Rath und Charly erklärt sich in diesem Band auch nicht. Viele Handlungsstränge bleiben zwischendurch auf der Strecke und werden völlig vergessen, was ich unbefriedigend finde. 

Helmut Barz - Dolphin Dance

Teil drei der Kathrina Klein Reihe.

Nach der Rückkehr aus Afrika hätten sich Katharina Klein und Andreas Amendt erst einmal ein wenig Ruhe verdient, doch am Flughafen fällt es ihr wie Schuppen von den Augen: sie weiß, wer hinter den morden an ihrer Familie steckt. Dass der Gerichtsmediziner es nicht war, steht inzwischen außer Frage. Doch der Täter bzw. Auftraggeber muss aus dem nächsten Umfeld der Familie kommen und er versucht mit allen Mitteln sie aufzuhalten.

Viele bekannte Figuren tauchen wieder auf: Koala, Ministro, Polanski und Kurtz, die Hörnchen, aber auch Dr. Leydt und das Duo Hans und Lutz. Aufwändige Untersuchungen in ihrem Elternhaus, gepaart mit unkonventionellen und nicht immer ganz legalen Ermittlungen, dazu die immer mehr knisternde Spannung zwischen Katharina und Andreas. Mit viel Humor und noch mehr Gewalt wird die Geschichte um Katharinas Familie zu Ende gebracht. Rasant im Stil, unerhörte Wendungen, treffsichere und bisweilen urkomische Formulierungen lassen auch den dritten band in nichts hinter seinen Vorgängern zurückstehen.

*****/5

Montag, 17. Dezember 2012

Hermann Bräumer & Oliver Nagel - 101 Dinge, die Sie sich sparen können

101 Dinge, die man sich sparen kann. Klingt erst einmal nach einem komischen Ratgeber und nicht unbedingt einladend. Das Buch zu verschmähen wäre jedoch ein böser Fehler, denn neben sarkastischen, aber immer ins Schwarze treffenden Formulierungen findet sich hier sehr viel Wahres, das einem bisweilen auch den berühmten Spiegel vorhält.

In kurzer prägnanter Weise wird das jeweilige Thema vorgestellt, z.B. einen Spieleabend veranstalten, Angeln gehen oder Jonglieren lernen, bevor die gnadenlose aber auch selbstironische Abrechnung erfolgt. Das Spektrum ist zwar weit angelegt, es lässt sich jedoch nicht verleugnen, dass auffallend vieles die Lebensumwelt der Yuppies und Lohas bzw. Latte Macchiatto-Westend-Mütter/Eltern darbietet und mit ihrem Lifestyle abrechnet.

Der Ton ist durchweg unterhaltsam, nicht überheblich, vielfach entblößen sich auch die Autoren ein wenig und sind bereits auch ihre eigenen Erfahrungen einzubringen. Auf sympathische Weise mindern sie so die Scham des Lesers, der sich und seine Hobbys sicherlich im einen oder anderen Kapitel wiederfindet.

Fazit: ein bisschen verfallen wir alle hin und wieder nutzlosen und sinnlosen Dingen, um am Ende mit der Erkenntnis, dass wir es eigentlich vorher schon besser wussten, wieder aufzuwachen. Die Formulierungsgabe der Autoren ist sensationell - alles drunter würde diesem Buch nicht gerecht werden. Ich habe mich köstlich amüsiert, bisweilen herzhaft gelacht und die Lektüre durchweg genossen. Highlight des Buches war für mch die "überschminkte Brühwurst mit Schürzchen".

*****/5

Sonntag, 16. Dezember 2012

Peter Jacobi - Der Fall Doyle-Houdini [Hörspiel]

Sir Arthur Conan Doyle wird eines Abends überrascht. Er denkt sein Gast sei ein medium, das ihm zur Kommunikation mit seinem verstorbenen Sohn verhelfen soll. Doch der Fremde weiß viel - viel zu viel, um dies mit seinem Dasein als Medium zu erklären. Doyle wird skeptisch, vor allem, als plötzlich ein bekannter Akzent durchkommt: Houdini ist nicht tot, sondern will sich an ihm rächen! So einfach ist die Geschichte dann aber doch nicht.

Großartige Unterhaltung mit zwei völlig exzentrischen Figuren.

*****/5 (Hörspiel)

Steve Berry - The Emperor's Tomb

Steve Berrys sechster Cotton Malone Roman. Eigentlich will der Ex-Agent nach den Vorfällen in Paris, bei denen sein alter Freund Thorvaldson ums Leben kam, endlich seine Ruhe haben und als Buchhändler arbeiten. Doch Cassiopeia Vitt ist in Gefahr und er muss ihr zu Hilfe eilen. Was sich entfaltet ist ein Kampf um die Herrschaft im aufstrebenden und bald mächtigsten Land der Welt: China. Cotton und Cassiopeia geraten zwischen die Fronten, bald ist nicht mehr klar, wer Freund und wer Feind ist und ob es in dem Spiel überhaupt jemanden gibt, der sich klar zu einer Seite bekennt.

Wie bereits in Paris Vendetta hat Steve Berry hier eine Geschichte konstruiert, die nur wenig überzeugen kann. Zu viel hin und her, noch ein Schnörkel hier und das alles in unglaublichen drei Tagen über zwei Kontinente, das überzeugt nicht. Mehrfach schwer verletzt können die Protagonisten wie Zeichentrickfiguren auch immer noch munter weiterkämpfen. Das rasante Tempo der ersten Bände der Reihe ist da, aber auch die historischen Gegebenheiten, die den Anlass bieten, sind von eher mäßigem Interesse und reißen die Geschichte nicht raus. Das Fehlen Thorvaldsons kommt als erschwerender Faktor noch hinzu.

Die Cotton Malone Reihe hat noch zwei weitere Bände, aber nach zweimaliger völliger Enttäuschung werden diese sicher ihren Weg nicht zu mir finden.

**/5

Samstag, 15. Dezember 2012

Matthias Wittekindt - Die Frau im Netz [Hörspiel]

Zurück in die Heimat, zurück an die Nordsee heißt es für die beiden Ermittler Mobly und Skinner, die in ihrem Heimatort den Tod einer Frau aufklären müssen. Verdächtige gibt es gleich mehrere, denn die Situation im Dort ist angespannt. Ein Unternehmer verhält sich verdächtig, dabei tut er so viel Gutes, ein Barkassenführer könnte die Damen - inzwischen wird noch eine Leiche angespült - ebenso ins Jenseits befördert haben.

Etwas anstrengend die Menschen im Dort. Ansonsten auch nur mäßig spannend und ziemlich konstruiert. Das kann Wittekindt besser.

**/5 (Hörspiel)

Patrick Hamilton - Drohung bei Mondlicht [Hörspiel]

Ein Engländer, der für eine Zeit bei einem wohlhabenden Freund wohnt, bekommt eines Abends Besuch von seltsamen Leuten. Schnell wird klar, dass es sich hier um Verbrecher handelt, aber die Möglichkeiten der modernen Technik, können sie überführen.

ein Klassiker unter den Radioplays.

****/5 (Hörspiel)

Freitag, 7. Dezember 2012

Sina Beerwald - Hypnose


„Machen Sie es sich im Sessel bequem.“ So lautet der erste Satz des Prologs in Sina Beerwalds Thriller „Hyponose“. Was folgt ist der klassische Beginn einer Reise ins Unterbewusste. Der Leser kann sich darauf einlassen, entspannen und loslassen - bis die Aufforderung an den Patienten oder die Patientin erfolgt, eine gewisse Inka zu töten.

Im beschaulichen Stuttgart wollen die drei Freundinnen Inka, Annabel und Rebecca mal wieder einen gemütlichen Abend miteinander verbringen. Die letzten Monate haben die Freundschaft belastete und die drei jungen  Frauen haben sich voneinander entfernt. Rebecca war durch Krankheit sehr mit ihrer Familie beschäftigt, Annabel plant mit ihrem bald Ehemann nach Griechenland auszuwandern und Inka musste den Verlust ihres tot geborenen Babys verkraften. Die Welt scheint fast wieder in Ordnung bis ein grausamer Mord den Freundeskreis erschüttert: Annabel hat gestanden, in der Nacht nach der Feier ihren Zukünftigen erstochen zu haben. Nicht nur das verwirrt Inka, auch ihre zunehmenden Halluzinationen und die Erinnerungen, die durch die Hypnose-Therapie an die Oberfläche kommen, lassen sie immer mehr an ihrem Verstand zweifeln. Die Lage wird ernst, als sie direkt mit dem Leben bedroht wird. Aber bildet sie sich das auch nur ein? Für alles gab es bis dato eine rationale Erklärung.

Der Thriller bietet genau das, was man vom Genre erwartet: nervenzerreißende Hochspannung, Grusel und ein bisschen Angst. Als Leser wird man von Kapitel zu Kapitel verwirrter, man kann genau wie die Protagonistin kaum mehr unterscheiden, was sich ereignet, was eine Figur sich einbildet, die einzelnen Bausteinchen passen nicht zusammen und es ergibt sich kein klares Bild. Nur die unmittelbare Bedrohung ist spürbar – wenn sich auch nicht klar zeigt, woher sie kommt.

Über weite Strecken fesselt der Roman und man kann das Buch vor Anspannung und Neugier kaum weglegen. Die Aufklärung ist dann jedoch für mein Empfinden etwas zu viel des Guten. Es wird zwar alles in sich stimmig geklärt und es bleiben keine Fragen offen, aber die Handlung ist hier für mich über das Ziel hinaus geschossen und ein wenig zu sehr übertrieben als dass sie vorstellbar wäre. Der klassische Showdown am Ende war leider auch zu vorsehbar – gemessen an dem wirklich über weite Strecken klasse Roman, fast ein wenig enttäuschend.

Fazit: absolut empfehlenswert für Thriller Fans, die mehr auf Gänsehaut und Spannung als auf Blut stehen.

*****/5

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Natalie Standiford - Die Bekenntnisse der Sullivan Schwestern

Besinnliches Weihnachten in Baltimore. Familie Sullivan ist samt aller sechs Kinder wie jedes Jahr bei der Großmutter - von allen nur Almighty genannt - eingeladen. Doch was als besinnliches Beisammensein geplant war, wird schnell zum bösen Erwachen: wenn bis zum Silvesterabend nicht ein schriftliches Bekenntnis und Schuldeingeständnis vorliegt und sich das Kind der üblen Kränkung, die die Großmutter erfahren hat, schuldig bekennt, werden alle enterbt.  Man ist sich sicher: es kann nur eine der drei Schwestern sein, denn die haben in den zurückliegenden Wochen alle auf ihre Weise die Familienehre beschmutzt.

So kommt es, dass Norrie, Jane und Sassy nacheinander ihre Schandtaten beichten. Die heimliche Flucht mit dem viel älteren Freund bei dem wichtigsten gesellschaftlichen Anlass des Jahres. Der Blog, der alle Familiengeheimnisse gnadenlos aufdeckt und ein sogar ein Mordeingeständnis bringen die Schwestern zu Papier, um das Vermögen zu retten.

Die Bekenntnisse kommen in unterhaltsamem Plauderton daher. Da sie aus Teenagersicht berichten ist die Wortwahl entsprechend und die Sichtweisen passen original zu verwöhnten Gören der Baltimore Oberschicht. Die kleinen Alltagssorgen werden zu großen Dramen und immer mal wieder wird dieselbe Situation aus unterschiedlichem Blickwinkel dargeboten, je nach Sichtweise der jeweiligen Schwester. Alle drei haben sehr unterschiedliche Charaktere, was auch im Schreibstil schön zum Tragen kommt.

Ein sehr gelungenes Jugendbuch für unterhaltsame Stunden zwischen den Jahren.

*****/5

Markus Topf - Das zwölfte Opfer [Hörspiel]

Die Schwestern Emma und Lisa wollen in Frankfurt Emmas erstes juristisches Staatsexamen feiern. Über den Dächern der Stadt ist die Party der juristischen Fakultät in vollem Gange als den Mädchen plötzlich schummrig wird - jemand hat ihnen etwas ins Getränk gemischt. Lisa wird von den Schreien ihrer Schwester wieder wach - als diese gerade im Nebenraum vergewaltigt wird. Lisa gelingt es zu fliehen und einen Blick auf den Täter zu erhaschen. Doch trotz DNS Material und Wiedererkennung bei der Gegenüberstellung wird ihr Peiniger auf freien Fuß gesetzt. Mit der jungen Frau ist er noch lange nicht fertig. Und er verfügt nicht nur über eine Menge Geld, sondern auch über mächtige Freunde.

Spannend, clevere Wendungen und überraschendes Ende.

*****/5 [Hörspiel]

Montag, 3. Dezember 2012

Noemi Jordan - Insel der schwarzen Perlen


Noemi Jordan hat mit "Insel der schwarzen Perlen" einen Hawaii-Roman geschrieben, der zwei Frauen über 100 Jahre Entfernung miteinander verbindet: Elisa, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts als deutsche Einwanderin durch die Liebe zu Kelii in die Kultur seines Stammes eingeweiht wird und Maja, die im Jahr 2011 ebenfalls der Liebe wegen auf die Pazifikinsel kommt, um dort das gemeinsame Kind auf die Welt zu bringen und mit Keanu ein neues Leben aufzubauen. Beide Frauen durchleben schwere Zeiten, müssen sich der Vorhersehung fügen und akzeptieren, dass ihre Männer durch die Pflicht ihrer Ahnen auch unangenehme Entscheidungen treffen müssen.

Die Geschichten der zwei Frauen werden im Wechsel erzählt und immer wieder verbunden, teils durch Nachforschungen Majas, teils durch Kontakt über Träume - eine Fähigkeit, die wie viele andere Aspekte der hawaiianische Kultur und Mythen geschickt in den Handlungsrahmen eingewoben werden. Die Darstellung der Verbundenheit der Urbewohner mit ihren Vorfahren und ihrer Tradition schwebt über der Handlung, ist ihr Motor und Motivator, was für den Leser neben der vordergründigen Geschichte einen echten Mehrwert liefert. Einblicke in tradierte Werte, Feste und Riten geben Erklärungen für das Handeln der Figuren, das nach unseren Maßstäben nicht immer nachvollziehbar ist. Gerade die Auffassung von Liebe und dem Dasein als Paar wird mehr als einmal auf eine harte Geduldsprobe gestellt - für die Figuren und für die Leser.

Der Blick auf das Cover weckt für mein Empfinden falsche Erwartungen: die Blüte, die Farbgestaltung in Pastelltönen und der leicht vor sich hinrauschende Ozean lassen einen seichten Schmöker mit viel Herzschmerz und Drama erwarten. Erfreulicherweise ist dem gar nicht so, auch wenn vordergründig zwei bisweilen tragische Liebesgeschichten erzählt werden, sind diese jedoch nie alleiniger Zweck des Geschehens. Sprachlich bewegt sich Noemi Jordan auch weit entfernt der sogenannten Frauenromane, besonders gut gefällt mir die Beibehaltung hawaiianischer Ausdrücke wie ipo oder ha, die durch das Glossar jedoch erklärt werden und die immer wiederkehrende Beschreibung der Flora und Tierwelt dieser mystischen Inseln. 

Ein interessantes Buch, das viel über die unbekannte Vergangenheit Hawaiis verrät.

*****/5


Abbas Khider - Der falsche Inder [Hörspiel]

Der falsche Inder ist falsch, weil er eigentlich Iraker ist. Abbas Khider erzählt hier seine eigene Geschichte. Eine Geschichte von Flucht und Irrfahrt, von Glück und Unglück und der Suche nach einer neuen Zukunft. Zwischen Bagdad und Bayern passiert viel, was er dem Zuhörer teils komisch teils dramatisch im lockeren Plauderton berichtet.

****/5 [Hörspiel]

Florence Vincent - The mysterious Case of Maria [Hörspiel]

Ellie hat gerade ihr Jura Studium geschmissen und hängt bei Ben und Maria in einer Bar ab. Ihre Zeit verbringt sie ausschließlich mit lesen - so findet sie nie einen Mann denkt sich Maria. Und schon hat die feurige Südländerin ihr gleich drei Dates für die Folgewoche verabredet. Die Herren haben durchaus Potential, doch plötzlich fällt Ellie auf, dass Maria spurlos verschwunden zu sein scheint. Sie sieht direkt den Zusammenhang zu den mysteriösen Männern und beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen.

Witzig, unterhaltsam, clever gemacht
*****/5 [Hörspiel]

Sofia Caspari - Die Lagune der Flamingos

Argentinien Ende des 19. Jahrhunderts. Voller Sehnsucht nach einem Leben, einem besseren als in der alten Heimat in Europa, wird das Land mehr und mehr von Deutschen, Italienern, Franzosen und anderen Abenteurern und Hoffnungsvollen bevölkert. Doch die neue Heimat hält nicht für alle, was sie aus der Ferne versprochen hat. Manche können sich schnell etablieren und durch Unterjochung der Einheimischen gutes Geld machen. Andere trifft es kaum besser als in der alten Welt.

Sofia Caspari hat die Geschichte verschiedener Familien miteinander verwoben. Die Fuhrunternehmerin Anna, deren jugendliche Tochter Marlena schon bald dem Familienidyll entflieht und sich mit den harten Seiten des Lebens auseinandersetzen muss. Annelie Wienand, die für sich und ihre Tochter Mina auf ein glückliches Leben mit ihrem zweiten Mann Xaver hofft und vom Regen in die Traufe gerät. Victoria, die das Unmögliche wagt und sich mit einem Mestizen einlässt, was für ihre Kinder große Steine im Leben bedeutet. Die Hure Corazon, die schon früh die Tochter Blanca ins Gewerbe einführte. Familie Blum, die ihr bescheidenes Leben auch in Argentinien nicht verbessern konnte. Weitere Personen kreuzen deren Wege, woraus eine komplexe und nur schwer zu bewältigende Personenkonstellation entsteht.

Als Landschaftsroman angekündigt wird die Topografie Argentiniens ebenso wie die Historie Südamerikas versucht in die Geschichte eingewoben, um die Handlung zu motivieren. Die Probleme im Zusammentreffen der Immigranten und indigenen Bevölkerung wird ebenso gestreift wie essentielle Fragen der Emanzipation, Xenophobie, Arbeiterrechte und Epidemien.

Der Sprachstil ist insgesamt sehr angenehm, durch spanische Einwürfe und Beibehaltung von Originalnamen wird der Leser nach Argentinien versetzt. Die intensiven und detailleirten Landschafts- und Agrikulturbeschreibungen lassen die Umgebung vor dem geistigen Auge erscheinen. 

Für das Genre sicherlich ein anspruchsvolleres Buch. Die Charaktere bieten eigentlich viel Entwicklungsraum, die gestreiften Themen hätten auch noch Möglichkeiten einer anspruchsvolleren Auseinandersetzung geboten. Letztlich bleibt jedoch im Fokus das Hauptthema des Genres: schwierige Liebesgeschichten der Figuren.

Abschließendes Fazit: für mein Geschmack zu viele Handlungsstränge, die entsprechend nicht alle zu Ende geführt werden. Viele interessante Aspekte wurden verschenkt - im Rahmen des Genre jedoch akzeptabel, die Autorin hätte aber Potential auch anspruchsvollere und bedeutendere Werke zu schreiben. Das Buch ist der zweite Teil einer Serie, zwar kann es auch alleinstehend gelesen werden, aber einige Anspielungen und Zusammenhänge erschließen sich nicht.

****/5

Sonntag, 2. Dezember 2012

Cornelia Vospernik - Genosse Wang fragt

Genosse Wang, wie der Name nahelegt Chinese, arbeitet als Journalist beim Volksblatt, einer wichtigen staatlichen Institution. Sein Leben besteht daraus, die richtigen Worte zu finden und so beginnt das Buch mit seiner intensiven Grübelei über die Frage, die sein Leben verändern soll. Die Frage die er auf einer Pressekonferenz stellen wird, statt der zuvor angesprochenen Scheinfrage. Doch seine Nervosität macht ihm einen Strich durch die Rechnung und lässt ihn  - durch jahrelanges Training bestens mit Automatismen ausgestattet - wieder das ihm aufgetragene von sich geben. Doch nicht nur die wichtigste aller Fragen beschäftigt ihn, sondern auch die Sekretärin Zhang, zu der er eine für ihn schwer definierbare Zuneigung empfindet. Das Konzept Liebe ist für ihn nicht fassbar, daher schließt er selbige aus.

Die Ereignisse im Volksblatt überschlagen sich und wie durch ein Wunder wird Wang befördert und erhält die wichtigste Aufgabe des Jahres: die Pressekonferenz der Partei. Da er sehr kurzfristig an diese Position gelang ist, fehlt ihm eine entscheidende Information: welche Frage muss er stellen? Seine Kultur verbietet es ihm, sich vorher zu erkundigen und dann geht plötzlich alles ganz schnell und er muss aus des Stegreif eine Frage an den Vorsitzenden richten. Diese wird seine berufliche Karriere nachhaltig verändern. Aber war das schon die wichtigste Frage seines Lebens?

Cornelia Vospernik blickt tief in die Empfindsamkeit eines chinesischen Arbeiters. Die Idee Journalismus wird ad absurdum geführt, für uns im Westen nicht weiter überraschend. Die Unsicherheit und andauernde Angst vor Fehlern, die die durchschnittlichen Chinesen scheinbar tagtäglich begleiten, werden in der Geschichte mehr als deutlich. Genosse Wang ist von Haus aus ein cleverer Journalist, der auch versteht, wie bestimmte Dinge zu laufen haben, doch sein zweifelnder Charakter lähmt ihn immer wieder und lässt ihn ratlos, fast verzweifelt zurück. Der Umgang der Menschen miteinander wird bestimmt von den Hierarchien und dem unbedingten Willen, seine Position immer und überall deutlich zu machen. Es ist weniger die Handlung als das, was zwischen den Zeilen mitschwingt, was diesen Roman auszeichnet und uns interessante und bisweilen erschreckende Einblicke erlaubt. Humor, wenn auch manchmal fast bissig, lässt manches oberflächlich etwas abmildern, aber das zugrunde liegende Menschenbild zeigt an so mancher Stelle seine böse Fratze.

*****/5
Blogverzeichnis - Bloggerei.de